Deutschland, Nahziele
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Abenteuer mit der Deutschen Bahn – Teil 1

Wer reisen möchte, muss sich bewegen. Und wenn die Strecken länger werden, die Fortbewegung aus eigener Körperkraft also zu schwierig oder gar unmöglich wird, ist die Bahn eine verlässliche Größe. Zumindest in der Theorie, wie dieser Artikel zeigt.

Alltag im Unternehmen Zukunft

Man beachte die rechte Spalte mit den Verspätungen und MeldungenSowohl beruflich als auch privat nutze ich gerne das umweltfreundliche Fortbewegungsmittel Bahn und habe dieses Unternehmen bisher auch schon sehr oft gegen die Kritiker verteidigt. Denn klar ist: die Herausforderung, täglich Hunderttausende Menschen und Güter befördern und trotz des intensiv genutzten Netzes auch noch pünktlich zu sein, ist sicherlich keine leichte. Dabei gibt es zahlreiche freundliche Schaffner, Servicemitarbeiter und sonstige Bahnangestellte, die sicherlich in ihrer Arbeitszeit eine ordentliche Menge Frust der Reisenden abbekommen – ganz gleich, ob verdient oder nicht. Daher bezieht sich dieser Artikel auch nicht primär auf die Mitarbeiter, sondern auf die zugrundeliegenden Prozesse des Unternehmens Zukunft, wie sich die Bahn so schön mal nannte.

Nachfolgend demnach ein besonders schönes Beispiel unserer Bahnerlebnisse…

Der grosse Tag der Ausfälle

Wie immer, es ist kurz vor Weihnachten und die halbe Nation fährt gefühlt mit dem Zug. Ab ungefähr 13. Oktober gibt es meist die Sparpreise für die Weihnachtssaison und folglich lässt sich hier durchaus noch die ein oder andere günstige Fahrt erhaschen. Bei dem gesparten Geld sollte man sich gleich noch dafür eine Sitzplatzreservierung gönnen, denn gerade ab Mitte Dezember füllen sich die Züge schon merklich und stundenlanges Stehen im Zug ist wirklich die unschönste Option.

Anstehen im Reisezentrum der BahnSo buchte auch ich meine Fahrkarte in das Rhein-Main-Gebiet bereits frühzeitig und packte noch eine Sitzplatzreservierung mit in den Warenkorb. Ich bekam sogar noch einen Hinweis zu sehen, dass ich mit der neuen, doppelstöckigen Version des IC fahren sollte – prima, ich freut mich darauf. Ich fuhr also am Tag der Reise mittels City+-Ticket kostenlos mit dem ÖPNV zum Bahnhof und erlebte dort bereits die erste Überraschung: 20 Minuten Verspätung. Da ich insgesamt nur einmal umsteigen musste und die Umstiegszeit knapp 30 Minuten betrug, also eigentlich noch eine sichere Sache.

Nix mit dem neuen IC

Doch es sollte anders kommen: der neue IC, groß und breit angekündigt, war defekt und fiel somit kurzerhand komplett und ersatzlos aus. Also ab zum ServiceCenter und diesen Ausfall bestätigen lassen. Dort teilte mir die freundliche Mitarbeiterin mit, dass es eben nur eine Regionalexpress-Variante gäbe, dieser natürlich länger bräuchte und der Anschlusszug somit wohl nicht erreicht würde. Weil aber alles so voll in den Zügen sei, könne man mir auch keine Ersatzreservierung geben – auch nicht für einen späteren Zug. Selbst in der ersten Klasse sei nichts mehr frei und auch ein kulanterweise gewährtes, etwaiges Upgrade wäre folglich nicht drin. Man würde am Umsteigebahnhof anrufen und mit etwas Glück würde der Zug auf die Fahrgäste aus dem Regionalexpress warten.

Ich positionierte mich also schon rechtzeitig vor der Einfahrt des Zuges am Ausgang, versuchte mein Glück und in der Tat – einen intensiven Sprint später saß ich tatsächlich noch auf meinem reservierten Platz in dem richtigen Anschlusszug, nachdem der erste ja kläglicherweise ausgefallen war. Übrigens hatten nicht alle Fahrgäste solch ein Glück – gerade ältere oder mit mehr Gepäck beladene Personen kamen bei einer Umstiegszeit von 3 Minuten eben nicht mehr so schnell von Gleis 4 zu 9.

Der ICE, der den Berg nicht schafft

Auch in den übervollen Zügen muss teilweise gestanden werdenSo zuckelte der Zug und ich auf meinem Platz fröhlich vor mich hin, als auf einmal der ICE langsamer wurde und schließlich komplett zum Stehen kam – auf offener Strecke. Was der geübte Bahnfahrer ja schon kennt – aufgrund Signalstörungen oder vorbeifahrenden Zügen beispielsweise, wobei letzteres im ICE ja eher selten vorkommt – war in diesem Fall jeodch nicht der Grund. Nach gut 5 Minuten des Stillstands kam eine erste Ansage: „Probleme mit dem Triebwagen“, man werde sich wieder melden. Das tat man auch nach ungefähr 10 weiteren Minuten und verkündete mit leicht betröppeltem Unterton, dass der Triebwagen defekt sei und nur noch 25% seiner Kraft zur Verfügung hätte. Mit diesen käme man aber den vor uns liegenden Hügel nicht mehr hoch und folglich würde der Zug nun langsam zum letzten Bahnhof zurückrollen, um dann im Anschluss ebenfalls ersatzlos auszufallen. Dieses Kunststück muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen. Zug 1 fällt aus, mit Ach und Krach noch mittels Zug 1b den Anschluss zum Zug 2 geschafft, der dann aber auch ausfällt. Also weiter im Takt.

Nachdem wir dann im Schneckentempo den vorherigen Bahnhof erreicht hatten, stürmten natürlich schon alle Leute los zu den anderen Gleisen, zum ServiceCenter und ins Reisezentrum. Nur mit viel Mühe konnte ich noch eine Ersatzreservierung ergattern, die allerdings erst für einen späteren Zug gelten sollte. Zum Glück, wie sich im Nachhinein herausstellte, denn die Fahrgäste, die einfach versuchten, auch aufgrund der aufgehobenen Zugbindung im Falle Sparpreisreisender, den nächstmöglichen Zug zu erwischen, hatten Pech. Aufgrund der übervollen Züge konnten nur Passagiere mit expliziter Reservierung überhaupt einsteigen, den anderen wurde der Zutritt verwehrt. Das führte natürlich zu einem abermaligen Chaos an den Bahnsteigen. Komplettiert wurde diese unglückliche Kette an Ereignissen noch von einem Notarzteinsatz im Gleis, aufgrund dessen auch der nachfolgende Zug noch einmal 15 Minuten lang warten musste.

Fazit zu diesem Abenteuer mit der Deutschen Bahn

Fazit dieser Bahnfahrt: insgesamt 2.5 Stunden später angekommen als ursprünglich geplant, nur mit größter Mühe noch Sitzplätze in den total überfüllten Zügen gefunden und einiges über Fahrgastrechte gelernt. Diese drückte mir der freundliche Mitarbeiter bei Ausfall des ersten Zuges schon in Form eines Umschlags und Formulars bereits in die Hand. Aktuell (Stand Dezember 2015) bekommt man ab 60 Minuten Verspätung am Zielbahnhof 25%, ab 120 Minuten sogar die Hälfte des Fahrpreises für eine einfache Fahrt erstattet. Der ICE-Sprinter-Aufpreis wird sogar schon ab 30 Minuten Verspätung entschädigt. Auch die Sitzplatzreservierungen werden wohl erstattet, was vor allem bei ausgefallenen oder nicht erreichten bzw. erreichbaren Anschlusszügen der Fall ist. Und wenn der Entschädigungsbetrag unter 4 Euro ist, wird dieser nicht erstattet wegen des hohen Bearbeitungsaufwandes.

Ob dies in der heutigen Zeit mit hochgradig automatisierten Systemen wirklich sein muss, sei dahingestellt. So oder so sind die Entschädigungen jedoch gefühlt ein ziemlich mickriges Verhalten in Anbetracht des Ärgers und Aufwands, den man als Fahrgast hat, wenn eben die Bahn mal wieder nicht rechtzeitig ankommt oder wie in meinem Falle sogar mehrfach ganze Züge ersatzlos ausfallen. Wenn die Bahn mit ihrem Serviceversprechen gerade auch in Blick auf die Konkurrenz durch Fernbusse punkten will, sollte sie nicht nur an Verlässlichkeit und Pünktlichkeit, sondern auch in Sachen Kulanz noch einmal kräftig an der Schraube drehen.

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